Otoplastik: Vor- und Nachteile der Formen

Die Verbindung zwischen Hörgerät und Ohr

Veröffentlicht am: 10.12.2021
Autor/in: Janine
Lesezeit: Minuten

Wer ein Hörgerät trägt, kennt die Ohrstücke – die sogenannten Otoplastik. Bei der schnellen Entwicklung der digitalen Hörgerätetechnologie wird das Verbindungssystem zwischen dem Hörgerät und dem Trommelfell (fast) vergessen.

Doch was ist eine Otoplastik genau? Es wird auch Ohrpassstück genannt und ist die direkte Verbindung zwischen Ohr und Hörgerät. Sie werden entweder an dem Schallschlauch der Hinter-dem-Ohr-Geräte, als Schale für die Im-Ohr-Geräte oder für den Sitz der sogenannten RIC-Systeme (Receiver-in-the-Canal – Hinter-dem-Ohr-Gerät, bei dem der Empfänger im Ohr sitzt) verwendet. Otoplastiken sorgen für einen besseren und sicheren Halt der Hörsysteme, für mehr Verstärkung und für ein besseres Sprachverstehen.

Es gibt verschiedene Formen und Varianten an Otoplastiken, doch welche ist die richtige für meinen Kunden*? Die Auswahl ist groß. Es gibt unter anderem folgende Otoplastikformen:

  • Die Lübecker Grundform
  • Die Schale
  • Der Ring
  • Die Kralle
  • Die Spange
  • Der Stöpsel

Ich führe nachfolgend die Vor- und Nachteile einzelner Formen auf. Sie unterscheiden sich akustisch, funktionell oder optisch.

Lübecker Grundform

Die sogenannte Lübecker Grundform ist die Basis aller Otoplastiken, sie besitzt alle wichtigen Haltezonen wie den Antitragus, Cymba und den Tragus. Die Grundform ist sehr robust und vollkommen ausreichend. Optisch empfiehlt sich diese Form weniger und auch der Tragekomfort ist nicht sehr angenehm, da das Ohr wenig belüftet wird. Preislich gesehen ist sie dafür sehr günstig und es besteht die Möglichkeit, nachträglich alle anderen Formen aus der Grundform herzustellen, wenn sich die Meinung des Kunden ändert.

Die Schale

Die Schale bietet den sichersten Halt und eine perfekte Abdichtung des Ohres. Sie besitzt genau wie die Lübecker Grundform alle wichtigen Haltezonen. Zusätzlich ist sie sehr robust und eignet sich besonders für Kunden, deren Schwerhörigkeit an der Taubheit grenzt. Allerdings ist die Schale kosmetisch nicht sehr ansprechend, dafür aber eher günstig und ausreichend.

Der Ring

Die Ring-Form ermöglicht ein einfaches Einsetzen und Herausnehmen. Sie ist die beliebteste Form, denn sie sorgt für eine gute Belüftung der Concha, ist sehr robust und besitzt alle Haltepunkte der Ohrmuschel. Für flach auslaufende Ohrmuscheln ist sie jedoch eher ungeeignet, da sie dann ihren guten Tragekomfort verliert.

Die Kralle

Die Kralle zählt zu den beliebtesten Otoplastik-Formen. Die krallenförmige Abstützung sorgt für einen optimalen Halt. Sie besitzt alle Haltezonen und sorgt zusätzlich für eine gute Belüftung der Concha. Der Tragekomfort ist sehr angenehm und sie eignet sich im Gegensatz zum Ring auch für flach auslaufende Ohrmuscheln.

Die Spange

Die sogenannte (Lang) Spange ist eine kosmetisch sehr ansprechende Form und hat nur wenig Hautkontakt, was den Tragekomfort sehr angenehm macht. Sie lässt sich gut einsetzen und leicht zu handhaben. Das Ohr wird recht gut belüftet. Allerdings eignet sie sich nicht wirklich für ungeduldige Kunden, da sie schnell brechen kann. Auch die Langspange besitzt alle notwendigen Haltezonen.

Der Stöpsel

Der Stöpsel ist fast unsichtbar und sitzt tief im Gehörgang, daher besitzt er auch nur eine Haltezone (den Gehörgang). Er eignet sich nicht für jeden, sondern nur bei passenden Gehörgängen, da die Otoplastik ihren Halt verliert. Die Stöpsel-Form sorgt für einen angenehmen Tragekomfort und für eine gute Belüftung der Concha. Für manche Kunden kann ein Stöpsel mit Abstützung bestellt werden. Diese verläuft über den Antitragus und sorgt für zusätzlichen Halt. Auch das Einsetzen und Herausnehmen wird dadurch ein wenig leichter.

Jede Form ist individuell und muss für das Ohr des Kunden geeignet sein. Daher ist die Entscheidung für die Form einer Otoplastik in erster Linie vom Gehörgang abhängig.

Materialien

Neben der Form spielt auch das Material eine wichtige Rolle bei den Otoplastiken. Die verschiedenen Materialien werden auf die Bedürfnisse des Trägers abgestimmt.

Acryl: Ein hartes Material, welches sehr glatt ist und häufig verwendet wird. Es ist ein einfach zu verarbeitendes Material und in verschiedenen Farben erhältlich. Acryl Otoplastiken sind sehr robust und leicht einsetzbar. Allerdings kann das Material bei einer Kunststoffallergie nicht verwendet werden.

Silikon: Bei Silikon Otoplastiken gibt es verschiedene Härtegrade (sogenannte Shore):

  • 70 Shore = hart
  • 40 Shore = mittel
  • 25 Shore = weich

Silikon ist angenehm zu tragen, da sich das weiche Material besser an das Ohrgewebe anpasst. Sie werden häufig bei Kindern oder bei an Taubheit grenzende Schwerhörigkeiten verwendet, da sie Rückkopplungen besser vorbeugen. Die Reinigung und das Einsetzen in das Ohr ist allerdings ein wenig schwieriger als beim Acryl und die Silikon-Ohrpassstücke können sich durch Ohrenschmalz (Cerumen) schnell mal verfärben.

Thermotec: Dies ist ein speziell für Otoplastik hergestellter Kunststoff. Er ist bei normaler Raumtemperatur fest und griffig, er kann dadurch sehr einfach eingesetzt werden. Bei Körpertemperatur dagegen wird er weich. So dichtet das Material ab und verhindert Druckschmerzen. Das Material eignet sich vor allem für Allergiker, aber kostet etwas mehr als andere Materialien.

Einen Abdruck herstellen

Um eine Otoplastik herzustellen, wird ein individueller Abdruck des Ohres gemacht. Denn: das Ohr und der Hörverlust der Kunden sind so individuell wie ein Fingerabdruck. Für jeden Hörgeräteträger werden individuelle Otoplastiken hergestellt, um den optimalen Halt zu gewährleisten.

Als erstes wird das Ohr des Trägers begutachtet und eine Tamponade in den Gehörgang platziert, um das Trommelfell zu schützen. Ganz vorsichtig wird eine weiche Abformmasse in den Gehörgang und in die Ohrmuschel geführt. Dafür verwendet man ein spezielles Silikonmaterial, das keine Verletzungen am Ohr verursachen kann aufgrund seiner Beschaffenheit. Es hat eine kurze Aushärtezeit von etwa 120 Sekunden. Im Anschluss kann der ausgehärtete Abdruck vom Ohr entnommen und zur Herstellung in ein Otoplastik-Labor versendet werden.

Otoplastik hält zwei Jahre

Wie lange eine Otoplastik hält, ist abhängig davon, wie oft sie getragen wird. Im Idealfall tragen die Kunden das Hörgerät und gleichzeitig die Otoplastik jeden Tag viele Stunden. Daher sollte das Ohrpassstück nach zwei Jahren spätestens ausgetauscht werden. Das Ohr verändert sich ein Leben lang, somit kann es vorkommen, dass die Otoplastik durch die Veränderungen nicht mehr optimal sitzt. Sollte das Ohrpassstück Mängel aufweisen oder der Kunde starke Gewichtsveränderungen durchlebt haben, empfiehlt sich ebenfalls eine schnelle Erneuerung der Otoplastik.

Wer mehr über die verschiedenen Otoplastikformen erfahren will, sollte einen Blick in unsere Leihbücherei werfen. Hier gibt es mehrere Bücher, die ausführlich auf die Formen eingehen.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden auf die gleichzeitige Verwendung weiblicher und männlicher Sprachformen verzichtet und das generische Maskulinum verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beide Geschlechter.